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Reiseführer
Spanien

Was hat dieses Land, in das Österreich sechsmal hineinpassen würde, nicht alles zu bieten: Weltstädte wie Madrid oder Barcelona und Tausende Küstenkilometer mit goldgelben Stränden, hohe, burggekrönte Berge, überschäumende Fiestas, stille Nationalparks, in denen man nur den Wind rauschen und die Vögel zwitschern hört: Was für Kontraste!

Das Land überrascht sogar die Spanier selbst

Hier die mediterrane Milde, dort die wilde Atlantikküste, im Zentrum Kastiliens karge Hochebene, im Nordosten die Gipfel der Pyrenäen. Die Küsten von Valencia sind von Orangenplantagen durchsetzt, im Norden Andalusiens wellen sich Olivenbaumhaine über die Hügel, weiter südlich kratzt die Sierra Nevada mit fast 3500 m an den Wolken. Spanien überrascht in jedem Winkel – sogar die Spanier selbst, die ebenso wie auswärtige Besucher immer öfter vom puren Badeaufenthalt in sattgrüne Täler und Berge abdriften. Statt Kokosöl- und Sangriaschwaden atmen Urlauber den würzigen Duft von Gebirgskräutern ein, durchwandern Kiefern- und Korkeichenwälder oder radeln über umfunktionierte alte Bahntrassen. Ob in Andalusien, Galicien oder Navarra: Der Zurück-zur-Natur-Trend hat Übernachtungsangebote aus dem Boden schießen lassen, die nichts mit manch zubetoniertem Küstenabschnitt gemein haben. Alte Dorfhäuser und Gehöfte wurden zu rustikalen Unterkünften mit Flair umgebaut.

Reise ins Mittelalter

In die Reihe spanischer Neu- und Wiederentdeckungen gehört auch das große Erlebnis des Mittelalters: eine Tour auf dem Jakobsweg, dem Camino de Santiago. Ob im galicischen Santiago de Compostela wirklich der „wahre Jakob“ begraben liegt, ist nicht erwiesen, doch das ist auch nicht weiter wichtig. Von den Pyrenäen zieht sich diese weltweit einzigartige Kulturroute rund 750 km weit gen Westen, von Klöstern und Burgen gesäumt, durch Weingärten und traumhafte Steindörfer.

Geschichte

  • 3.Jh. v.–5.Jh. n. Chr.

    Römische Herrschaft

  • ab 711

    Die Mauren herrschen über Südspanien und dehnen ihren Herrschaftsbereich bis an die Pyrenäen aus; von Norden her beginnt die christliche Rückeroberung („Reconquista“)

  • 1492

    Fall des letzten maurischen Königreichs auf der Iberischen Halbinsel. Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus

  • 16./17.Jh.

    Politischer und kultureller Höhepunkt: Weltmacht und „Goldenes Zeitalter“

  • 1936–1939

    Bürgerkrieg, Beginn der Diktatur von General Franco

  • 1975

    Tod Francos, Wiedereinführung der Monarchie

  • 2011–2015

    Korruptionsaffären und einschneidende Sparmaßnahmen führen zu Massenprotesten

  • 2015–2019

    Vier Wahlen in vier Jahren ergeben immer wieder ein Patt der politischen Lager

  • 2017/2018

    Katalanische Unabhängigkeitsbestrebungen führen zu schweren Verwerfungen in Politik und Gesellschaft

  • 2021

    Nach der Coronakrise erhält Spanien die erste Tranche von insgesamt 150 Mrd. Euro aus dem EU-Aufbauprogramm

Ein Paradies der Schlemmerkleinkunst

Und nirgendwo in Spanien kommt die Pflege von Gaumen und Magen zu kurz. Für leibliche Genüsse nehmen sich die Einheimischen ausgiebig Zeit. In der Rioja und im Duerogebiet reifen vorzügliche rote Spitzenweine, Galicien ist für seine weißen Albariños bekannt, das andalusische Jerez de la Frontera für seine Sherrys und Brandys. Klassiker der Küche sind kalte und warme Appetithäppchen, die Tapas oder – im Baskenland, der Heimat vieler Spitzenköche – pintxos heißen. Diese Schlemmerkleinkunst indes ist nur das Vorspiel für Lammkoteletts und geschmorten Stierschwanz, für Tintenfisch und Paella und eine Fülle weiterer, ideenreicher Köstlichkeiten.

Strandleben und Kulturmetropolen

Nicht nur kulinarisch findet in Spanien jeder, was sie oder er sucht – dank über 300 Sonnentagen pro Jahr gilt an den Mittelmeerküsten nach wie vor: Wer Fun will, bekommt Fun. Torremolinos, Benidorm und Lloret de Mar bersten vor Clubs, Discos, Paarungslust und sommerlichem Highlife. Wer hierhin reist, weiß, was er will. Gleiches gilt für jene, die nach Madrid und Barcelona reisen. Die spanische Hauptstadt begeistert mit dem lockeren Open-Air-Ambiente um die Plaza Mayor und Weltklassemuseen wie dem Prado, Barcelona mit einer trubeligen Altstadt und der Sagrada Família, dem unvollendeten Meisterwerk des katalanischen Architekten Antoni Gaudí. Im sonnendurchfluteten Andalusien geht Kunst- und Kulturliebhabern ohnehin das Herz auf: Die Alhambra in Granada und die Mezquita in Córdoba, erbaut von den Mauren, zählen zu den Höhepunkten in ganz Europa. Zwischen 711 und 1492 standen weite Landstriche des heutigen Spaniens unter orientalischer Herrschaft, Kunst und Wissenschaft blühten.

Avantgarde - von der Architektur bis in die Küche

Das Land verharrt aber nicht in seiner prachtvollen Vergangenheit, sondern entwickelt sich ständig weiter. Sichtbarer Ausdruck dessen sind die neuen Museen, vor allem aus dem Bereich zeitgenössische Kunst, avantgardistische Restaurants, Designhotels und ikonische Weingüter. Auch politisch hat sich einiges getan: Das Land, das bis 1975 noch unter der Fuchtel des greisen Diktators Francisco Franco und der katholischen Kirche stand, hat einige der europaweit modernsten Gesetze in Sachen gleichgeschlechtliche Ehe und Frauenrechte. In den letzten Jahren hat sich vor dem Hintergrund der schweren Wirtschaftskrise eine neue Protestkultur entwickelt: gegen korrupte Politiker und skrupellose Wirtschaftsbosse, die sich jahrzehntelang aus den öffentlichen Kassen bedienten. Parallel dazu sind vor allem in Katalonien separatistische Bewegungen erstarkt. Aber auch im Baskenland und in Galicien betont man selbstbewusst das Eigene, Unverwechselbare: Spanien gibt sich als Vielvölkerstaat – den typischen Spanier gibt es nur als Klischee. Dabei hat sich das südländische Lebensgefühl allen Annäherungen an die EUNorm zum Trotz gehalten: Familie – auch die postmoderne Patchworkvariante – hat einen großen Stellenwert. Sie fängt auf, was der Staat nicht leistet. Also nimmt man sich Zeit für Verwandte und Freunde, sei es beim sonntäglichen Tafeln oder der sobremesa, dem ausgiebigen Plaudern bei Tisch. Auch diese Mischung aus Tradition und Moderne macht das Land so liebenswert.

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