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Reiseführer
USA

„Give me your tired, your poor. Your huddled masses yearning to breathe free“ (Gebt mir eure Müden, eure Armen. Eure geknechteten Massen, die frei zu atmen begehren): So steht es auf dem Sockel der New Yorker Freiheitsstatue geschrieben. Frankreich schenkte die Figur 1886 den USA zum 100.Jahrestag der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung. Seither begrüßt Lady Liberty am Hafeneingang von New York Heimkehrer und Einwanderer.

Amerika, das Einwandererland: Die Armen, die Müden und Unterdrückten, von denen in der Inschrift die Rede ist, sie kamen im 19.und frühen 20.Jh. scharenweise in die USA. Vom Tellerwäscher zum Millionär, alles schien ihnen hier möglich. Doch im neuen Jahrtausend hat das Bild vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten Risse bekommen, und die Rolle der USA in der Welt verändert sich. Der Wandel begann mit den Terroranschlägen des 11.September 2001.Die USA riefen den Krieg gegen den Terror aus. Dessen weitreichende Folgen bekommt seither jeder Urlauber bei den Einreisekontrollen am Flughafen zu spüren. Die Kriege in Afghanistan und dem Irak, das Folterlager von Guantanamo – politisch geriet Amerika nach „9/11“ in eine Sackgasse. Auch die Wirtschaft des Landes kam ins Trudeln, und die Immobilienkrise von 2008 wuchs sich zur weltweiten Finanzkrise aus. Mit dem Slogan „Yes we can“ trat danach Barack Obama an, doch das erstarrte Parteiensystem von unversöhnlichen Republikanern und Demokraten blockierte jede Erneuerung – bis heute. Impulsiv und unberechenbar regierte danach Präsident Donald Trump und versuchte mit allen Mitteln, an der Grenze zu Mexiko eine Mauer zu bauen, um die Müden und Armen dieser Welt draußen zu halten. Maga, „Make America Great Again“, heißt der Kampfruf der Trumpisten, deren Agenda auch Präsident Biden für die Wahl 2024 genau beoachten muss. Soziale Missstände wie sie die Black-Lives-Matter-Bewegung aufzeigt, bleiben da nur zu oft auf der Strecke.

Superlative überall

Von den politischen Wirren Amerikas ist man als Besucher allerdings nur am Rand betroffen. Aus touristischer Sicht hat sich tatsächlich wenig verändert. Das Reisen im Land ist unkompliziert und eindrucksvoller denn je. Wer zum ersten Mal auf dem Empire State Building steht, den Grand Canyon sieht oder die Panorama- Highways an der Pazifikküste entlangkurvt, der wird gerne zustimmen: Die Superlative Amerikas beeindrucken. In Metropolen wie L. A., Chicago oder Miami ist die vibrierende Energie dieser multikulturellen Nation hautnah zu spüren. Und das weite, bis heute verblüffend dünn besiedelte Hinterland birgt wilde Canyons, Berge, Wüsten und großartige Nationalparks, die mit ihren schieren Dimensionen überwältigen. In Amerika ist eben alles größer, höher, weiter – und teurer dank Inflation und Dollarkurs.

Geschichte

  • 30 000–12 000 v. Chr.

    Urvölker aus Asien besiedeln über die Beringstraße Alaska

  • 1492

    Christoph Kolumbus entdeckt die „neue“ Welt

  • 4.Juli 1776

    Unabhängigkeitserklärung der 13 britischen Kolonien an der Ostküste

  • 1803

    Die USA kaufen von Napoleon das Land westlich des Mississippi

  • 1861–65

    Bürgerkrieg zwischen den Nord- und den Südstaaten

  • 1872

    Yellowstone wird erster Nationalpark

  • 1941

    Die USA treten in den Zweiten Weltkrieg ein

  • 1967

    Sommer der Liebe in San Francisco

  • 11.September 2001

    Terroranschläge auf New York und Washington, D. C.

  • 2008

    Barack Obama wird als erster Schwarzer Präsident

  • 2017–2021

    Präsident Donald Trump lässt Umwelt- und Naturschutz deutlich reduzieren

  • 2023

    Schneereiche Winterstürme beenden eine lange Dürre im Westen

Hummerhäfen und Indian Summer

Am schönsten ist die Vielfalt Amerikas auf einem klassischen Roadtrip zu erleben. Einmal rundherum würde zwei Monate dauern - mindestens. Aber auch alle Teilstücke lohnen sich sehr. Fahr in Gedanken mal die Runde! Nördlich von New York liegen die Neuengland-Staaten mit ihren gepflegten historischen Hafenstädten voller Hummerreusen. Bald hinter der Atlantikküste erheben sich die fast parallel zu ihr verlaufenden Kämme der Appalachen. Ein Mittelgebirge, das sich vom Sankt-Lorenz-Strom bis fast an den Golf von Mexiko hinzieht, 2600 km lang und bis 600 km breit. Der Herbst ist hier wie auch in Neuengland stets die schönste Jahreszeit. Im Indian Summer verfärbt sich das Laub in einer Sinfonie aus Rot und Gold. Nach einem guten Tag im Auto kommt man an die Großen Seen, regelrechte Binnenmeere mit Hochseeschiffen, aber Süßwasser. Dort liegen Cleveland, Detroit und Chicago. Diese Städte sind die Symbolstätten der Industrie – und ihres heutigen Verfalls. Von der Rust Bowl, der Rostschüssel, sprechen die Amerikaner und meinen damit den Mittelwesten, der früher von Kohle und Stahl lebte und in dem einst Henry Ford das Fließband erfand. Doch das Industriezeitalter ist vorbei. Heutige Firmen bevorzugen die Sunshine Economy, die Sonnenscheinwirtschaft des Westens und des Südens, die dem Unternehmer nicht nur Heizkosten spart, sondern auch „Unannehmlichkeiten“ wie Gewerkschaften, Arbeitsschutz und Krankenversicherung. Sogar deutsche Autobauer produzieren heute in den Südstaaten.

Über die Rockies zum Pazifik

Was westlich Chicagos und des mächtigen Mississippis folgt, ist mit drei Worten zu beschreiben: Gen-Mais, Soja, Weizen. Die Straßen durch die Great Plains haben keine Kurven. Schnurgerade führen sie zwischen nicht enden wollenden Feldern auf die Rocky Mountains zu. Sanft steigt das Land an, so sanft, dass einen das Schild „Denver, 1600 m über dem Meer“ völlig überrascht. Nur der Tacho verrät es: wieder 1000 km weiter westlich. Dann folgt echtes Hochgebirge und man blickt von den Pässen weit über die Gipfelwelt der Rockies. Wenig später: Utah, der Staat der geschäftstüchtigen Mormonen, die am Rand des Großen Salzsees eine Oase der Zivilisation geschaffen haben.

Vorbei an den Glitzerkasinos von Las Vegas geht es weiter über die Sierra Nevada und dann hinunter nach Kalifornien: der größte, dynamischste, vielseitigste und progressivste Bundesstaat der USA. Die meisten Einwanderer, Einwohner und Nationalparks finden sich hier. Im Golden State wurde das Internet ebenso erfunden wie Google, Apple, Tesla, McDonald’s oder Rollerblades und Snowboards. Und natürlich das ganz große Kino: Der Moloch Los Angeles steht für Hype, Hipness und Hollywood. Dagegen ist San Francisco wohl die europäischste Stadt der USA, mit viktorianischen Wohnhäusern und jeder Menge Charme. Zwischen beiden Städten liegt Big Sur: Mit atemberaubenden Ausblicken schlängelt sich der legendäre Highway One hier die erhabene Küstenlinie entlang.

Durch Wüsten und Canyons

Nach dem kalifornischen Wechselbad geht es links ab, in die Wüste. Die Mojave Desert beginnt gleich am Rand des nur unter extremem Aufwand mit Wasser versorgten Los Angeles – das wichtigste Wasserhebewerk verschlingt die gesamte Leistung eines Atomreaktors. Ein Abstecher ins Tal des Todes ist unerlässlich: 86 m unter dem Meeresspiegel – und die Temperatur steigt nicht selten auf 50 Grad! Wer wissen will, was für ein Gefühl Wüste macht, braucht nur einmal für eine Viertelstunde durch die Wanderdünen zu laufen.

Dann der Grand Canyon: Man fährt auf einem waldigen Hochplateau dahin, bis sich plötzlich, ohne jede Vorwarnung, die gewaltige Schlucht auftut, die der Colorado River über Jahrmillionen gegraben hat. Wie ein Bilderbuch schlägt sich danach der restliche Südwesten auf mit seinen feurig roten Canyons, Kakteenwüsten und den bizarren Steinbögen des Arches National Park, mit seinen Westernstädten und den uralten Lehmburgen der Pueblo-Indianer. Wer das erste Mal nach Amerika reist, wird hier seine schönsten Eindrücke sammeln, so ganz anders ist das Canyonland des Südwestens zu Europa: Bei einer Wanderung durch ein Labyrinth aus filigranen Steinsäulen im Bryce Canyon, bei einer Raftingtour in den Stromschnellen des Colorado River, bei einem Ausritt auf einer Ranch, umrahmt von Saguaro-Kakteen hoch wie Telegrafenmasten.

Hier bereut man es fast, die Grenze nach Texas zu überschreiten. Denn das platte Texas ist über riesige Strecken nichts als staubiges Grasland, auf dem fast nie Rinder, häufig aber die Ölpumpen mit ihren nickenden Köpfen weiden. Natürlich besucht man Houston oder Dallas. Cooler aber ist die Hightech-und Music- City Austin. Ein Comeback hat New Orleans erlebt: 2005 vom Wirbelsturm Katrina beinahe zerstört, hat die Stadt heute ihre Lebensfreude zurückgewonnen. Durch den Mississippi pflügen wie eh und je die Raddampfer, aus den Bars im French Quarter ertönt wieder der Jazz und in den Straßen liegt erneut der Duft von kreolischer Küche.

Blaue Höhen, weiße Strände

Wenn man sich auf dem Rückweg nach New York ein bisschen mehr links hält, kommt man in die südlichen Höhenzüge der Appalachen. Blue Ridge Mountains heißt die Gegend hier, wegen des bläulichen Schimmers, den die Nadelbäume erzeugen. Hält man sich dagegen ein wenig mehr rechts, kommt man mitten durch den tiefen Süden, The Old South. Die rote Fahne mit den gekreuzten Sternenstreifen, zwar als Symbol von Rassismus und Sklaverei verpönt, hängt vor manchem Haus. Trotzdem hat es im Süden mit der Integration der Schwarzen manchmal besser geklappt als in den Großstädten des Nordens, wo Arbeitslosigkeit und Armut neue Grenzen schufen.

Im neuen Süden regieren die (neuen) Medien: In Atlanta etwa hat der TV-Sender CNN seinen Sitz. Und um Durham, Raleigh und Chapel Hill in North Carolina entstand ein Computer Triangle, das dem Silicon Valley drüben im Westen heftig nacheifert. Aber auch hier wieder viel Natur: In Florida warten weiße Strände und die subtropischen Sümpfe der Everglades, an der Küste von North Carolina, am Kap Hatteras, erhebt sich die höchste Düne der Welt. Die Gebrüder Wright nutzten sie vor 100 Jahren für ihre ersten Flugexperimente. Etwas weiter nördlich, in Washington, D.C., offenbart sich das Selbstbewusstsein der militärischen Supermacht in monumentalen Denkmälern und dem prachtvollen Capitol.

Einmal ist nicht genug!

Das war’s nun? Von wegen: Allein Texas ist zweimal so groß wie Deutschland. Verabschiede dich am besten direkt von der Idee, Amerika auf nur einer Reise zu entdecken. Die bessere Strategie ist es, eine Region auszuwählen und dort ein wenig tiefer einzutauchen, anstatt herumzuhetzen und alle Sehenswürdigkeiten der USA auf einmal abklappern zu wollen. Schließlich will wohl niemand den ganzen Urlaub auf dem Highway verbringen. Es sei denn, genau das gibt einem den richtigen Kick ...

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