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Reiseführer
Schottland

Schottland ist Kult! Nessie und Whisky, Dudelsack, Kilt, Burgen und Mythen locken in das wildromantische Nordland, über dem der ständige Wetterwechsel für famose Lichtspiele und Fotomotive sorgt. Das Naturell der Schotten ist von der subarktischen Kargheit genauso beeinflusst wie vom ebenso hitzigen wie melancholischen Wesen ihrer Ahnen.

Landschaftliche Dramatik pur

Die Windschutzscheibe deines Autos wird zum Panoramafenster für Berge, Moorseen und Steilküsten. Die Dramatik der Highlands kannst du auch schrittweise bei kleinen Fußmärschen aufsaugen. Sogar in den Städten hausen Dramen: Edinburghs mittelalterliche Skyline, Glasgows humorig gewürzter postindustrieller Charme und Dundees postmoderne Kulturexplosion.

Mit oder ohne England?

Schotten sind herzlicher und impulsiver als die Engländer, dennoch ist man seit gut 300 Jahren politisch als Briten zusammengerückt. Tony Blairs devolution – Dezentralisierung – verdanken die gut 5 Mio. Schotten wieder ein eigenes Parlament und eigene Befugnisse. In Edinburgh regiert die Scottish National Party (SNP), deren Unabhängigkeitsreferendum 2014 scheiterte. Den EU-Austritt Großbritanniens verstanden viele Schotten aber als Betrug an ihrem Vertrauensvotum zum Verbleib im United Kingdom. Weshalb Regierungschefin Nicola Sturgeon erneut an einem Referendum für den schottischen Exit feilt. Das ungeliebte Westminster muss jedoch zustimmen. Besucher kommen wegen der rauen Natur, in der etliche Mythen blühen – Erzählungen, die den Lowlands entsprangen. In die sanften Hügel bei Dryburgh und Jedburgh schmiegen sich romantische Abteiruinen. Unter gotischen Bögen hallen Grenzkriege mit England greifbar wider. Am intensivsten erlebst du das liebliche Land am River Tweed auf einer Radtour – wobei du auch gleich dem Erfinder des Schottland-Tourismus auf die Spur kommst: Der Romancier Sir Walter Scott machte die Highlands zur Weltmarke. Es gäbe keine Hollywood-Highlander ohne den Lowlander Scott. Nur Nessie, Dudelsack, Whisky und Sean Connery sind nicht auf Scott zurückzuführen.

Geschichte

  • 500 v. Chr.

    Keltische Stämme ziehen ins heutige Schottland

  • 1297

    William Wallace besiegt die Engländer bei Stirling

  • 1314

    Robert the Bruce gewinnt die schottische Unabhängigkeit (Schlacht bei Bannockburn)

  • 1542–87

    Maria Stuarts Leben als Königin und Gefangene von Elisabeth I.

  • 1692

    Glen-Coe-Massaker mit 78 toten MacDonalds

  • 1707

    Der Act of Union vereint Schottland und England

  • 1746

    Schlacht bei Culloden

  • 1782–1854

    Highland Clearances

  • 1970

    Orkney und Shetland werden Nordsee-Ölmächte

  • 1999

    Teilautonomie

  • 2014

    In einem Referendum stimmt die Mehrheit der Schotten für den Verbleib im UK

  • 2020

    Der Brexit wird vollzogen

  • 2022

    Königin Elisabeth II. stirbt am 8.September auf Balmoral Castle

Edinburgh gegen Glasgow

Zwischen Lowlands und Highlands bildet die Gegend um Glasgow und Edinburgh einen urbanen Riegel. Unterschiedlicher können zwei Städte nicht sein. Edinburgh inszeniert sich mit zwei Altstädten großartig. Auf der Royal Mile und in der georgianischen New Town erreicht das Flanierbarometer südländische Hochs. Schotten feiern hemdsärmelig den Büroschluss in Straßencafés, Touristen stecken ihre Nasen in Gassen, in denen mittelalterlicher Spuk wieder auf die Bühne kommt. Ganz anders Glasgow. Statt einer Fassade wie aus einem Guss konkurrieren Klassizismus, Neogotik und Jugendstilansichten. Und schottisches Lebensgefühl ist nirgends authentischer. Auch wenn der Dialekt schwer verständlich ist, wirst du von Streetlife, Musikclubs, Kunstszene und Glasgows Gastfreundschaft hingerissen sein.

Das Licht der Highlands

Nördlich der Städte beginnen bald die Highlands: eine grünsamtige Region, zwischen deren Bergen (bens) fischreiche Seen (lochs) wie Spiegel blinken. Hier ziehen Nebelfetzen über Torfmoore, dort leuchtet das rötliche Fell eines Highlandbullen in der Heide. Lichtfinger tasten vom Himmel herab, beleuchten eine einsame Kieferngruppe inmitten eines Sees, huschen über die Flanken gezackter Gipfel oder die Mauern geheimnisvoller Burgen. An der rauen Westküste, zwischen Oban und Mallaig, verfärbt sich der Himmel über den Hebriden-Inseln abends pink. Im Osten, über den pittoresken Häfen der Halbinsel Fife, klärt sich der typische Morgennebel (haar) oft zu einem mediterranen Licht. In dieser Landschaft solltest du auch als Anfänger mal den Volkssport Golf ausprobieren, besonders weil die Plätze in den Dünen zwischen St Andrews und Aberdeen traumschön sind.

Von Hirschen und Menschen, Inseln und Wikinger-Erbe

Jenseits des geologischen Grabens Great Glen wirkt das Land fast wie menschenleere Wildnis. Doch die rollenden lila Heideflächen sind keine Urnatur. Wälder prägten einst die Highlands. Im 19.Jh. wurden die Reste gerodet von Großgrundbesitzern, die die ansässigen Kleinbauern (crofters) vertrieben, um im großen Stil Schafzucht zu betreiben und zu jagen. Das Rotwild, das die neuen Herren dafür einführten, bestimmt den Schottland-Look, etwa im Cairngorm-Nationalpark. Ohne natürliche Feinde pflanzen sich die Hirsche rasant fort. Von den ursprünglichen Kieferwäldern existiert nur noch ein Prozent. Wer noch weiter gen Norden reist, begegnet mit Orkney und Shetland fast eigenständigen grünen Inselreichen, deren Steinzeitfunde und geografische Namen an 5000 Jahre Besiedlung und das Wikinger-Erbe erinnern. Ein Tagestörn im Westen zwischen den Inneren Hebrideninseln verschafft dir einen wilden Ritt durch die brodelnden Gezeiten der Westküste. Oder du springst auf die Fähre zu den Äußeren Hebriden. Auf Lewis fasziniert der entrückteste Steinkreis Britanniens, auf Harris entzücken einsame weiße Strände. Die Reise zu den Inseln ist Schottland für Fortgeschrittene, auf denen allein die süchtig machende Ausstrahlung der schottischen Lichtspiele fast jedes andere Reiseziel in den Schatten stellt.

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