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Reiseführer
Rom

Ganz großes Kino! Du steigst aus dem dunklen, leicht schäbigen Schacht der Metrostation Linie B die Treppen hoch, drängst dich durchs Drehkreuz hinaus ins gleißende Tageslicht, und da liegt es plötzlich vor dir: das Kolosseum. Zum Anfassen! Auch wenn Geschichte nicht gerade dein Lieblingsfach war, die steinerne Präsenz des fast 2000 Jahre alten Amphitheaters, wo Tausende Gladiatoren und wilde Tiere auf ein Handzeichen des römischen Kaisers blutig niedergemetzelt wurden, lässt einen auch heute noch schaudern.

Vom Forum Romanum zum hippen Nachtviertel Monti

Weiter geht‘s vom Kolosseum über die breite Via dei Fori Imperiali bis zur Piazza Venezia. Ob zu Fuß, mit dem Linienbus, mit dem Fahrrad oder dem Segway: Wieder taucht man ganz nebenbei in die Geschichte ein und kreuzt die Wege von Caesar und Cicero, die sich einst zu ihrem Arbeitsplatz im Senat des Forum Romanum begaben. In den Sommernächten werden die Ruinen der Regierungszentrale des alten Roms magisch erleuchtet, vielleicht klingen die Musikfetzen eines Rockkonzerts aus dem Circus Maximus herüber, wo einst die großen, wilden Wagenrennen wie im Hollywoodfilm „Ben Hur“ stattfanden. Was die PS-Wagenrennen von heute betrifft: Weite Teile der Via dei Fori Imperiali sind für den Autoverkehr gesperrt. Deshalb promenieren die Römer so gern abends an diesem historischen Hotspot vorüber, um dann in die Gassen des hippen Nachtviertels Monti, das gleich hinter den Säulen des Augustus- Forums liegt, einzutauchen und eine knusprige Pizza im Freien zu essen, in einer green bar wie Aromaticus mit veganen Häppchen zu chillen oder in einer der Eisdielen ein gelato al limone zu probieren. In Rom liegt alles greifbar nebeneinander: das Erhabene und das Banale, Schönheit und Nepp, 3000 Jahre stolze Geschichte, antiker Marmor und hin und wieder stinkender Müll an den Straßenecken.

Die Schönheit roms oszilliert auf der Piazza

Schicke, flache Sandalen oder Laufschuhe? Das holperige römische Kopfsteinpflaster ist nichts für Highheels oder zu hohe Plateaupumps. Aber es lohnt sich, Rom zu Fuß zu erobern. Entdecke „La grande bellezza“, wie der oscarprämierte italienische Kultfilm heißt: die große dekadente Schönheit Roms. Und wo findet man die? Auf der Piazza. Sie ersetzte den Römern schon immer das Wohnzimmer, denn viele junge Leute leben in Plattenbauten an der Peripherie oder eng an eng bei der mamma, weil sie sich die Mieten im historischen Zentrum nicht mehr leisten können. Die Piazza aber liefert das pralle römische Leben: Markt, Jahrmarkt, Café-Bar und Nachrichtenbörse, Flirtplatz, Showroom des guten Geschmacks und Circus Maximus der Eitelkeit. Hier können die Italiener einer ihrer Lieblingsbeschäftigungen nachgehen und bella figura machen. Das ist die römische Art von supercool: mit unnachahmlicher Eleganz dem banalen Alltag enthoben herumzustehen und beiläufig hübschen Touristinnen nachzuschauen.

Geschichte

  • 21.April 753 v. Chr.

    Romulus erschlägt Remus und gründet Rom

  • 510.v. Chr.

    Beginn römische Republik

  • 27 v. Chr.- 284 n. Chr.

    Römische Kaiserzeit

  • 313

    Kaiser Konstantin erlaubt die christliche Religion

  • 1471

    Papst Sixtus IV. gründet die Kapitolinischen Museen

  • 1527

    Sacco di Roma: 24 000 deutsche Landsknechte ziehen mordend durch Rom

  • 1871

    Rom wird Hauptstadt Italiens

  • 1922–1943

    Faschistische Diktatur unter Benito Mussolini

  • 1970–1989

    „Bleierne Jahre“ mit linksund rechtsextremem Terror

  • 2000

    Zum Heiligen Jahres werden Roms Sehenswürdigkeiten restauriert

  • 2013

    Benedikt XVI tritt zurück, Franziskus wird gewählt

  • 2021

    Die Touristen kehren trotz anhaltender Pandemie langsam zurück

  • 2022

    Das Rechtsbündnis erhält bei der Parlamentswahl die absolute Mehrheit

Päpstliche Atmosphäre auf dem Petersplatz 

Finde die Piazza, die zu dir passt. Die größte, pompöseste und meistfotografierte Piazza ist natürlich der Petersplatz – und Papst Franziskus der Magnet im Vatikan. Wenn der argentinische Oberhirte zu Ostern und an Weihnachten vom Balkon seinen feierlichen Segen urbi et orbi, zu Deutsch „für die Stadt und den Erdkreis“, spricht oder nach Generalaudienzen im Papamobil scherzend über den Petersplatz fährt, fühlen sich auch nicht so religiöse Menschen von der heiteren Atmosphäre berührt. Doch auch dieser konservative Papst mit dem großen Herzen für die Armen scheint die interne Krise zwischen Tradition, Macht, Missbrauch und der jüngsten Protestbewegung Maria 2.0 nicht lösen zu können.

Miniatur-Seeschlachten auf der Piazza Navona

Übrigens, auch die heute von eleganten Straßencafés gesäumte Piazza Navona ist ein Werk der Päpste. Ein geglücktes Stück Architektur, lang gestreckt und doch geschlossen, lebenslustig, farbig und von barocker Sinnlichkeit. Papst Innozenz X. schenkte seiner geliebten Schwägerin Olimpia nicht nur den Pamphilj- Palast, wo heute die brasilianische Botschaft sitzt, sondern legte ihr gleich die ganze Piazza Navona zu Füßen – gebaut auf den Ruinen einer antiken römischen Wettkampfarena. Reiche Adelige und Kirchenfürsten setzten die antiken Wettspiele im 17.Jh. fort. und feuerten aus den Fenstern ihrer Paläste die Kampfspiele an. Wo du heute Kaffee trinkst, rasten Reiter über die Bahn, Stierkämpfe tobten nach klassischem Vorbild, und für Seeschlachten mit Miniaturschiffen wurde die Piazza gewässert. Gönn dir ein paar Augenblicke vor dem plätschernden Prunkstück der Piazza, dem eleganten Vierströmebrunnen des Barockgenies Gianlorenzo Bernini. Abend für Abend entfaltet sich hier eine Bühne für Straßenkünstler, Porträtmaler, Kartenleser oder golden bemalte Artisten, die reglos wie ein Standbild in der schönen Szenerie verharren.

Nachts vor dem Pantheon Panini essen 

Auf der nächtlichen Piazza della Rotonda vor dem Pantheon treffen sich römische Schickeria, Stars, A- bis C-Promis und Politiker ganz leger, in schwarzem Hemd und weißem Sommerleinen, um nach einem aperitivo in den teuren Restaurants zu verschwinden. Die Jugendlichen aus der Vorstadt decken sich lieber vorher in der Via del Seminario mit tramezzini (Sandwiches) und panini (Brötchen) ein und setzen sich vor den ältesten Tempel Roms, laut Inschrift von Konsul Agrippa zu Zeiten Kaiser Augustus’ gebaut. In Wirklichkeit ist nur die Inschrift echt, das Monument mit der Kuppel, das so gravitätisch vor dir liegt, wurde 100 Jahre später errichtet. Aber was machen schon die paar Jährchen bei einer fast 2000 Jahre alten Schönheit aus?

Sundowner und Aperol Spritz auf dem Campo de' Fiori 

Vielleicht zieht es dich mehr zum Campo de’ Fiori, dem bunten Obst- und Gemüsemarkt Roms, der immer mehr von Klamottenständen bedrängt wird. Die fiori, Blumen, gibt es hier auch, aber vorherrschend ist der Duft von Orangen, Zitronen, Fisch und Meeresfrüchten. Abends, wenn der Markt abgebaut ist, dominieren orangefarbene Aperitifs in den Gläsern: Bei Sonnenuntergang trifft man sich hier und in den umliegenden Gassen zum Campari oder Aperol Spritz, worüber sich besonders die Mailänder Spirituosenfirma Cinzano alias Gruppo Campari freut. Auch in den Gassen um den Campo de’ Fiori kann man gut sitzen und speisen. Roms größtes Dorf Trastevere, also jenseits des Tibers, lohnt nicht nur für einen Trattoriabesuch oder einen Ausflug ins Nachtleben. Auch wenn Trastevere durch die Gentrifizierung etwas von seiner Patina verlor, man findet noch immer viele romantische Ecken mit plätschernden Brunnen, gescheckten Katzen, die auf Mauern und Mülltonnen Siesta halten, und alten Römern, die in Sommernächten in Bademantel und Pantoffeln vor ihrem Haus sitzen und plaudern. Ansonsten boomt das einstige Arbeiterviertel bei jungen Selbstständigen, die sich ihre winzigen Wohnungen modern ausgebaut haben und doch den römischen Lebensstil pflegen: Sie holen sich morgens trotz iPad die Zeitung am Kiosk, trinken ihren Espresso nur bei ihrem barista und kaufen nicht im Supermarkt, sondern beim kleinen alimentari oder gleich auf dem Fressalienmarkt Piazza S. Cosimato ein.

Und wo wandelt das geistliche Rom?

Gleich hinterm Pantheon in der Via Santa Chiara, zwischen der efeuumrankten Piazza dei Caprettari und der Piazza di Minerva, wo ein kleiner Elefant einen viel zu großen Obelisken trägt, liegt der Showroom der geistlichen Mode. Hier gibt es alles, was das fromme Herz begehrt: von lilafarbenen Bischofsroben über dezente graue Dessous für Nonnen bis zu kleidsamen Kutten mit eingenähter Handy- Tasche. „Seit über zweihundert Jahren zu ihren Diensten“, wirbt etwa Annibale Gammarelli, die Hofschneiderei des Vatikans in der Via Santa Chiara. Auch Papst Franziskus lässt hier seine Soutanen nähen, aber beim viel beschäftigten Oberhirten kommt Gammarelli gern ins Haus, also in den Vatikan.

Moderne Architektur tut sich schwer in der ewigen Stadt

Bei so viel Traditionen hat die Moderne es schwer. In einer Stadt, in der sich ein Barockpalast an den anderen reiht und wo Marmor, Schutt und Scherben der Jahrtausende konkurrieren, müssen sich avantgardistische Bauten erst einmal beweisen. Immerhin, das MAXXI, Zaha Hadids revolutionäres Museum des 21 Jhs., das wie eine Sommerwolke über dem alten Kasernengelände im Flaminioviertel schwebt, hat es geschafft. Ähnlich wie das futuristische Auditorium Parco della Musica von Renzo Piano, das – einst belächelt – heute Musikfans aus aller Welt anzieht. Auch mit dem gläsernen Überbau des Friedensaltars von Kaiser Augustus, den der Amerikaner Richard Meier entwarf, haben sich die Römer arrangiert. Aber ein Arrangement bedeutet nicht unbedingt die große Liebe.

Menschengedränge an der Fontana di Trevi 

Es gibt die eine, von allen heiß geliebte Piazza in Rom, der man sich schwer entziehen kann, obwohl sie klein, unscheinbar und schrecklich voll ist. Denn hier ergießt der wohl berühmteste Brunnen Italiens, die Fontana di Trevi, seine sprudelnden Wasser ins weite, flache Becken. Vom ersten Morgenlicht bis spät in die Nacht drängen sich Menschen mit glücklichen Gesichtern vor der barocken Gischt. Liegt es am Mythos des Films „La dolce vita“, in dem sich Marcello Mastroianni und Anita Ekberg in einer kalten Februarnacht in die tosenden Fluten stürzten, oder an dem Brauch, eine Münze in den Brunnen zu werfen, um wiederzukehren? Finde es heraus!

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